Weiße, blaue, braune Linien, Flächen und Strukturen bestimmen das hochformatige, in Mischtechnik entstandene Bild. Das vorherrschende, zuweilen reliefartig aufgetragene Weiß durchzieht in scheinbaren Wolken schräg sich windend die Bildfläche.
Zwei Gesichter fallen mir sogleich ins Auge: ein Kind, eine Hand zur Faust geballt vor oder im Mund, mich aus einiger Entfernung - fast aus der Mitte des Bildes heraus - anschauend; ein zweites Kind bzw. nur dessen Gesicht oder - noch genauer - sogar nur noch seine leicht verschattete Gesichtshälfte schaut mich aus gleicher Höhe wie das erste Kind fixierend mit großem Auge an.
Wir schauen uns an. Wir fixieren einander.
Ein Rätsel erwächst aus dem verwobenen Miteinander von malerisch reliefartigen Strukturen, von Farben und Formen und den fotografisch erscheinenden Abbildfragmenten eines Kindergesichts.
Was machen diese Kinder, oder was macht dieses Kind in dem weißen Gewölk? Warum fixiert es mich? Mich, der ich doch nur ins Bild schauen, mich der Farben und Formen erfreuen, selbst Erfahrenes oder Erlebtes wiedererkennen, Stimmungen aufnehmen und einfach nur fühlen möchte.
Wer ist dieses Kind?
Ich fühle mich ertappt als neugieriger Betrachter, als Akteur vor dem Bild.
Erwartet das Kind etwas von mir, dass es mich so anschaut? Was erwartet es von mir? Was denkt, was fühlt es? Was wird es mit dem, was es sieht, anfangen? Wie soll ich mich dem Kind im Bild gegenüber verhalten?
Es ist „nur“ ein Bild, ein Abbild vielleicht, das mich als Betrachter fordert, indem es mir das Gefühl aufdrängt, als Schauender genau betrachtet, ja gesehen zu werden.
Susanne Hesemann
Mixed Media 80 cm X 100 cm