Am ersten Adventssonntag gab es das große Adventssingen - eine schöne Liederauswahl, ein gut gefüllter Pfarrsaal, eine schöne Tradition seit 11 Jahren.
Am Montag danach treffen wir uns- ebenfalls wie in jedem Jahr - im Flur eines Mehrfamilienhauses bei der Gräfin, das schlichteste Adventsfenster von allen: eine Kerze auf einem kleinen Tisch, daneben das Buch, aus dem die Gräfin gleich eine Geschichte vorlesen wird. Warum muss ich an den Stall von Bethlehem denken? Die Wohnungstür gegenüber öffnet sich, der schwerkranke Nachbar schiebt seinen Stuhl in den Flur. Er sieht noch elender aus als im Vorjahr, aber er will teilnehmen. Wie in jedem Jahr hat er Plätzchen gebacken - so lecker, dass ich meine Low-Carb-Diät komplett vergesse. Er sei katholisch, wie er sagt, aber dieses Adventsfenster, diese 20 Minuten, sind wohl sein einziger Kontakt zur Gemeinde. Eingeladen hatten wir ihn schon mehrmals.
Sieben Personen sind wir in diesem Jahr, oft waren wir noch weniger. Und trotzdem sagt die Gräfin ihr Adventsfenster nicht ab - Gott sei Dank! ?Sieh, dein König kommt!? hallt es durch das Treppenhaus. Singen wir zu laut? Die Gräfin kann begnadet Geschichten vorlesen. Sie hat jetzt, so berichtet sie, auch in der Kita vorgelesen. ?Mache dich auf und werde Licht!? singen wir. Der Nachbar erzählt von der guten Nachbarschaft im Hause, dann erstickt ihm die Erinnerung an seine verstorbene Frau die Stimme. Die Tränen laufen ihm über die Wangen, man umarmt sich wortlos, bevor er sich in seine Wohnung zurückzieht.?Bis zum nächsten Jahr!? Wirklich erst bis zum nächsten Jahr?
Dieses Gemeindeerlebnis in einem schlichten Flur - nicht erfasst von irgendwelchen amtskirchlichen Erhebungen - wird mich wieder durch den Advent tragen bis hin zur Feier der Geburt eines Königs in einem schlichten Stall!
Ansgar Felden