Vlnr: Frau Luise Herbst, Frau Monika Brockmann, Frau Gertrud Nordemann, Frau Stephanie Zsiak, Frau Irmgrad Grewe und Frau Helga Herden.
Not gesehen und praktisch gehandelt
Die finanzielle Not der frisch nach Münster gekommenen Russland-Deutschen war offensichtlich und so reagierte man rasch: Im Juni 1994, also vor jetzt 25 Jahren, entstand in der damals selbstständigen Pfarrei St. Pius die Idee für eine Kleiderkammer. Als Frau der ersten Stunde kann sich Leiterin Gertrud Nordemann noch gut an die Anfänge erinnern: "Die damalige Pastoralreferentin Sr. Edelburga suchte Mitstreiterinnen, und sogleich waren zehn ehrenamtlich tätige Frauen mit von der Partie". Noch heute besteht das Angebot fort, inzwischen in der fusionierten Pfarrei Sankt Mauritz, wenn auch mit verändertem Nutzer-Kreis.
Die Aussiedler waren zu jener Zeit auf dem Pfarrgebiet von St. Pius Am Pulverschuppen untergebracht, deshalb fühlte sich die katholische Gemeinde mit verantwortlich für deren Integration. "Wir haben neben der Kleiderkammer im Pfarrhaus auch einen Kontaktkreis gegründet, der die Neubürgerinnen und Neubürger zu Ausflügen, Sommer- und Weihnachtsfesten eingeladen hat oder auch Deutsch-Unterricht vermittelte", erzählt die heute 92-Jährige vom großen Engagement der Gemeindemitglieder.
Gespendete, gut erhaltene Kleidung wurde in der Kleiderkammer sortiert, die - auch heute noch - einmal in der Woche zwei Stunden lang öffnet. "Den geringen Erlös aus dem Verkauf haben wir in jenen Jahren zum Beispiel in den Bau eines Sportplatzes Am Pulverschuppen investiert", erzählt Gertrud Nordemann, die 2010 auch den Umzug aus dem Pfarrhaus an den heutigen Standort an der Ostmarkstraße 93 mit organisiert hat.
Die ehemaligen Aussiedlerfamilien leben längst nicht mehr Am Pulverschuppen, sondern haben in der ganzen Stadt Wohnungen gefunden - doch so manche Kontakte aus den Anfangsjahren sind geblieben. "Es kommen auch noch einige von ihnen, um sich mit preiswerter Kleidung, mit Bett- und Tischwäsche oder auch Haushaltswaren zu versorgen", weiß Nordemann. Denn die Kleiderkammer ist immer noch für alle Bedürftigen ein Ort der Unterstützung: "Heute sehen wir vor allem Flüchtlings- und Asylbewerber-Familien. Und ja, Stammkunden gibt es auch". Nahezu jede Woche, so berichtet Gertrud Nordemann, komme etwa jemand, der Kleidung kauft für den Transport nach Polen. "Im Schnitt verkaufen wir etwa 60 Teile zu Preisen rund um einen Euro am Öffnungstag". Der nur scheinbar geringe Erlös summiert sich: So wird seit zehn Jahren das Johannes-Hospiz mit durchschnittlich 1000 Euro jährlich unterstützt.
Anlässlich des 25-jährigen Bestehens will Gertrud Nordemann nun die Leitung des Projektes in jüngere Hände geben - mit Hildegard Mengede hat sie eine engagierte Nachfolgerin gefunden, der sie in der Übergangszeit beratend zur Seite steht. Wie man es schafft, ein Vierteljahrhundert der einmal gewählten ehrenamtlichen Aufgabe treu zu bleiben? "Wir haben damals die Wichtigkeit gesehen, und an der hat sich ja bis heute nichts geändert", meint sie bescheiden. "Wir tun das alle gerne!".
Bericht: Heike Hänscheid
Fotos. Ludger Picker